Remote Astronomie – Eine Chance oder Astronomie ohne Emotion?

Seit Jahrtausenden betreibt der Mensch nun Astronomie. Anfangs, und das ist die längste Zeit, seitdem er Astronomie betreibt, hatte er nur sein Auge, um in den Himmel zu schauen. Dadurch ist die Verbindung des Menschen zu Himmel eine alte Liebe, die uns schon seit Ewigkeiten begleitet.

Ich selbst betreibe nun Astronomie seit 25 Jahren. Angefangen mit dem bloßen Auge, einem Fernglas und später natürlich mit einem Teleskop. Man entwickelt sich weiter, lernt das Beobachten, lernt die Technik kennen. Macht Versuche mit einer Kamera, lernt wieder dazu. Wird besser oder auch nicht, aber immer war man unter dem Sternenhimmel und spürte und fühlte die Weite.

In diesem Artikel geht es um die Möglichkeit sein Equipment virtuell zu erweitern. Welche Möglichkeiten, welchen Nutzen hat es und wie nutzt man diese Option. Welche Technik verbirgt sich dahinter? Bekomme ich nicht bloß irgendwelche „Bilder“ zugeschickt? Und verliere ich nicht etwas…. Diese Gedanken habe ich mir natürlich auch gemacht.

Es gibt mehrere Anbieter und ich habe mich für das Portal I-Telescope.net entschieden. Bei diesem Anbieter gibt es einen Demonstrations-Zugang.

Ich meldete mich an und schaut mich um. Bei diesem Anbieter verteilen sich vier Standorte auf drei Kontinente. USA, Europa (Spanien) und Australien. Dadurch kann man rund um die Uhr Astronomie betreiben, falls man das nötige Kleingeld hat 😉 Insgesamt stehen 19 Teleskope zur Verfügung, vom 60mm APO Refraktor bis zum 500mm CDK. Ein Traum an Vielfalt, dazu jede Menge Filter H-Alpha, OIII usw…

Klar, dass dieser Service was kostet. So gibt es verschiedene Arten der Mitgliedschaft (Membership Plan). Als Beispiel hier Plan-40: ~40€ pro Monat ergibt 40 Points, die dann verbraucht werden können. Points, die im Monat nicht verbraucht werden, bleiben erhalten und werden auf dem Konto gesammelt. Beim Plan-1000 werden ~1000€ pro Monat abgebucht, dieses Angebot richtet sich aber sicherlich an Universitäten und „Profiamateure“. Aber man sieht, es ist für jeden etwas dabei. Dazu hat man noch die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft einzufrieren, falls man weiß, dass man länger nicht dazu kommt oder nur von Zeit zu Zeit den Service nutzen will.

 

Abgerechtet wird nach einem Pointsystem, d.h. für jedes Teleskop im Netzwerk sind für eine Stunde Nutzung bestimmte Points hinterlegt, die dann abgezogen werden. Ein 80mm APO ist günstiger als ein 500mm CDK. Der Preis pro Stunde wird günstiger, je „höherwertig“ die Mitgliedschaft des Benutzers ist.

Die Points werden dann bei Benutzung minutengenau abgerechnet. Soviel bis hierher zur Bezahlung bzw. Abrechnung. Mehr dazu später nochmal.

Nach dem Login kommt man in das Launchpad. Hier befindet sich eine Übersicht über alle wichtigen persönlichen und technischen Daten. Man sieht die verfügbaren Points, die aktuelle Membership. Eine Übersicht zeigt, wie die aktuelle Tag- und Nachtzeit über den Standorten ist. Dazu sieht man, welche Teleskope online sind und wie die Verfügbarkeit ist. Mit den AllSky Kameras an den Standorten kann man sehen, wie das Wetter ist und ob sich eine Fotosession lohnt. Von diesem Launchpad aus kann man durch einfaches Klicken auf die Teleskope zu den jeweiligen Reservierungsmodulen kommen.

Ist man nun bei einem Teleskop eingeloggt, kann man eine Beobachtung planen. Reservierungen müssen mindestens 2 Stunden vor Beginn gemacht werden. Man geht nun wie folgt vor:

Man geht in das Menü: Plan Generator

Hier vergibt man als erstes einen Namen für den Plan, dann gibt man die M, NGC oder UGC Nummer des Objektes ein, das man aufnehmen möchte. Jetzt gibt man die Anzahl der Bilder, welcher Filter verwendet wird, Belichtungszeit und das Binning an das man verwenden möchte. Es sind mehrere Belichtungsschritte möglich, die man mit RGB, H-Alpha usw. Filter belegen kann. Jetzt kann man schon abschätzen wie lange dieser Plan dauert und welche Kosten sich daraus ergeben. Desweiteren kann man bei Advanced  Imaging Options viele Dinge einstellen, die die Ausbeute erhöhen können (Periodic Focus, Dittering usw.) Hier muss man etwas natürlich etwas Erfahrung sammeln. Zu den Möglichkeiten gibt es viele Tutorials, die man sich unbedingt vorher anschauen kann bzw. soll.

Nun geht man über den Menüpunkt:  Make Reservation

zur Reservierungsplanung. In diesem Kalender kann man nun seine Beobachtung planen. In der Übersicht wird die Dämmerung angezeigt, die Mondphasen (der Preis für die gebuchte und genutzte Zeit richtet sich auch nach dem Mond) Moon discount, dieser Rabatt wird dann bei der Abrechnung abgezogen. Wenn das nun erledigt ist bekommt man eine E-Mail mit der Reservierungsbestätigung in der nochmal alle relevanten Daten aufgeführt sind. Nun heisst es warten. Das System erledigt nun alles automatisch.

Nachdem die geplante Fotosession abgearbeitet ist bekommt man eine E-Mail mit einem Bericht über den Verlauf der Session. Wird der Plan wegen schlechtem Wetter abgebrochen oder nicht gestartet, wird man benachrichtigt. Ebenso wird in der E-Mail über das Wetter (Wolken, Temperatur und Luftfeuchtigkeit) informiert. Mit dazu bekommt man Vorschaubilder. Diese kann man begutachten. In dem Logbuch befindet sich auch ein Link zu einem Refoundsystem. Hier hat man die Möglichkeit, Fehler in den Bildern (Guiding, aufziehender Nebel oder sonstige Bildfehler) zu reklamieren. Ein Mitarbeiter überprüft die Reklamation und schreibt, wenn die Reklamation begründet war, das Guthaben dem Konto wieder gut.

Bei Erfolg lädt man sich nun vom FTP Server die Bilder herunter. Darks, Flats, BIAS usw. werden in regelmäßigen Abständen von den Technikern erstellt. Darum braucht man sich nicht mehr kümmern. Diese kann man nun auch mit herunterladen.

Die Bildbearbeitung ist dann natürlich ein anderes Thema 😉

Dieser kleine Bericht neigt sich nun dem Ende zu. An dieser Stelle möchte ich nochmal alle Vor- und Nachteile aufzählen und ein Fazit ziehen.

Vorteile:

  • Große Auswahl an Teleskopen (die man sich nie zum Teil nie leisten könnte).
  • Große Auswahl an Filtern.
  • Große Auswahl an Kameras.
  • Standorte verteilt über die ganze Welt (keine Flüge mehr, die natürlich CO2 emittieren, in südliche Länder).
  • Südlicher Sternenhimmel erreichbar.
  • Verfolgung eines langfristigen Beobachtungsprogrammes
  • Nutzung zukünftiger größerer Teleskope.
  • Man zahlt nur für „gelungene“ Bilder.
  • Starke Unterstützung durch den Betreiber.
  • Kosten für eigenes Equipment kann entfallen, nur dann kann es günstiger sein. (Als Bespiel: EQ8+8 Zoll Fotonewton + ASI1600 ~7000€)
  • „Zukauf“ von Bildern die z.B. mit H-Alpha, OIII usw. Filter gemacht wurden, wenn man die Filter nicht besitzt und sich diese nicht zulegen will/kann.

Nachteile:

  • Verlust des Bezuges zum Nachthimmels (Gefühlt).
  • Bindung zu den selbst erstellten Bildern geht verloren (Misserfolg und Erfolg liegen oft beieinander, steigert den Wert des Bildes).
  • Verlust des Naturerlebnisses Astronomie.
  • „Internethobby“
  • Verlust der Kontrolle über die Kosten möglich? Sucht?

Fazit:

In dem Artikel wird hoffentlich die Möglichkeiten deutlich, die diese Option bietet. Durch das Zubuchen von Beobachtungszeit lässt sich das Hobby unheimlich erweitern (Große Teleskope, Filter und besonders die Möglichkeit, den Südsternhimmel abzulichten).        Aber natürlich birgt das Ganze auch Gefahren, z.B. dass man den Bezug zum Nachthimmel irgendwie verliert. Astronomie ist nicht nur Technik, sondern auch Emotion. Das muss jeder für sich entscheiden. Für mich ist es eine Option, die ich von Zeit zu Zeit nutze.